Wolfgang Renner
Leitet den Bereich Gesundheitsmarkt und Medizintechnik der KUMAVISION und verantwortet in dieser Funktion auch das Qualitätsmanagement.
Aufgrund der Corona Pandemie hat die Europäische Kommission eine Verlängerung der Übergangsfrist für die Medizinprodukteverordnung Medical Device Regulation (MDR) beschlossen. Dadurch haben Unternehmen zwar etwas mehr Zeit, um sich mit den neuen Anforderungen auseinanderzusetzen, Handlungsbedarf besteht dennoch. Denn für alle Produkte, die nach dem 26. Mai 2021 erstmalig in Verkehr gebracht werden (oder an denen grundlegende Änderungen vorgenommen wurden), ist ein EG-Zertifikat nach der neuen MDR Pflicht. Und die hat es in sich.
Erinnerung: Welche Änderungen bringt die MDR mit sich?
Geänderte Klassifizierung von Produkten: Für wiederverwendbare chirurgische Instrumente wurde die neue Klasse Ir eingeführt, die Anforderungen an implantierbare Produkte der Klasse IIb wurden erhöht sowie zahlreiche Produktkategorien einer höheren Risikoklasse zugeordnet.
Software-Validierung: Von den neuen Klassifizierungsregeln für Medizinprodukte sind auch alle computergestützten Systeme betroffen, die Unternehmen zur Prozesssteuerung einsetzen. Diese gehören nun einer höheren Risikoklasse an und müssen daher von einer benannten Stelle validiert werden.
Strenge Vorgaben für die klinische Überwachung: Die MDR erhöht die Anforderungen an die klinische Evidenz von Medizinprodukten. Zukünftig muss für alle Medizinprodukte unabhängig von ihrer Risikoklasse eine klinische Bewertung durchgeführt werden. Außerdem müssen Hersteller zur kontinuierlichen Bewertung von potenziellen Sicherheitsrisiken klinische Daten sammeln und archivieren.
Neue Aufgaben und Rechte für Benannte Stellen: Um Medizinprodukte zulassen zu dürfen, müssen Benannte Stellen zusätzliche Anforderungen erfüllen. Zudem wurden die Befugnisse der Benannten Stellen hinsichtlich der klinischen Überwachung erweitert: Durch unangekündigte Audits bei Herstellern, zufällige Stichproben und Produktprüfungen soll die Einhaltung der Vorschriften geprüft werden.
Höhere Anforderungen an die technische Dokumentation: Die technische Dokumentation wird umfangreicher und komplexer: Neben verschiedenen alten und neuen Bestandteilen zählt nun auch die Marktüberwachung nach dem Inverkehrbringen (Post-Market Surveillance) inklusive Planung und Durchführung zur technischen Dokumentation. Zudem hat sich die Aufbewahrungsdauer der Dokumentation von 5 auf 10 Jahre verdoppelt.
Verschärfte Meldepflichten: Mit der MDR treten kürzere Meldefristen für Vorkommnisse in Kraft. Zudem müssen nicht mehr nur schwerwiegende Ereignisse oder Fehlfunktion gemeldet werden, die für Patienten lebensgefährlich sein oder ein Risiko für die öffentliche Gesundheit darstellen, sondern auch alle unerwünschten Wirkungen sowie jegliche Mängel und Fehlfunktionen des Medizinproduktes wie beispielsweise eine fehlerhafte Gebrauchsanweisung.
Einführung einer UDI-Kennzeichnung: Alle Medizinprodukte müssen mit den Produktstammdaten und der eindeutigen Produktidentifikation (Unique Device Identifikation) gekennzeichnet sein. Dadurch können Produkte zurückverfolgt werden und Rückrufe sind gezielt möglich. Hinterlegt werden alle in der EU vermarkteten Medizinprodukte in der EUDAMED-Datenbank, die nun neben staatlichen Institutionen teilweise auch Herstellern, Benannten Stellen sowie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Bestimmung einer qualifizierten Person: Hersteller von Medizinprodukten müssen mindestens eine Person benennen, die für die Einhaltung der Vorschrift im Unternehmen zuständig ist. Zudem muss der Nachweis erbracht werden, dass die benannte Person für diese Aufgabe ausreichend qualifiziert ist.

Nutzen Sie die Zeit!
Auch wenn noch ein etwas Zeit ist, bis die Frist zur Umsetzung der EU-Medizinprodukte-Verordnung abläuft: Sie sollten jetzt schon beginnen. Denn die vielfältigen Anforderungen sind komplex und aufwendig. Planen Sie deshalb ausreichend Zeit ein, um auch bei Verzögerungen im Prozess die Einhaltung bis zum neuen Stichtag gewährleisten zu können.
- Verschaffen Sie sich einen Überblick: Analysieren Sie Ihre aktuellen Prozesse und Produkte und prüfen Sie die dazugehörige technische Dokumentation.
- Passen Sie Ihre Prozesse an: Da aufgrund der aktuellen Situation viele Mitarbeiter im Homeoffice sind, haben sich Abläufe verändert – nicht nur in Ihrem Unternehmen. Überlegen Sie deshalb, wie Sie Ansprechpartner am besten erreichen und wann digitale Unterschriften sinnvoll sind.
- Aktualisieren Sie Informationen: Implementieren Sie die MDR in Ihre ISO 13485 und stellen Sie sicher, dass Ihre Verfahrensanweisungen etc. up to date sind.
- Benennen Sie Verantwortliche: Entscheiden Sie, ob Sie den gesamten Prozess vollständig selbst übernehmen oder Dienstleister mit der Beratung und Umsetzung beauftragen wollen.
- Klären Sie offene Fragen: Setzen Sie sich bei Unklarheiten die Klassifizierung Ihrer Produkte betreffend oder anderen Fragen rechtzeitig mit der Benannten Stelle in Verbindung. Denn auch andere Unternehmen werden sich an die Benannten Stellen wenden, weshalb hier die Auslastung mit Näherkommen des Stichtages hoch sein wird.
Was kann ich jetzt tun?
Welche Veränderungen müssen Sie zur Erfüllung der MDR in Ihrem Unternehmen vornehmen? Was bedeutet das für Ihre Prozesse und Software? Sprechen Sie mit unseren Consultants – wir identifizieren gemeinsam die wichtigsten Handlungsfelder, zeigen Best-Practice-Lösungen anderer Unternehmen uns unterstützen Sie bei der Software-Validierung.
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